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Das Forum im Adelshof, dem sog. „Tilly-Haus“

Geschichtszeugnis von hohem Wert

„Der geharnischte Mönch“ wurde Johann T’Serclaes Graf von Tilly wegen seiner Ausbildung als Jesuit im Volksmund genannt. Er war Oberbefehlshaber der katholischen Liga und gilt als einer der wichtigsten militärischen Führer des 30-jährigen Krieges. Am 30. Juli 1623 setzte er bei Höxter über die Weser und legte eine Besatzung in die Stadt. Der Name des Tilly-Hauses erinnert bis heute an eine Zeit des Schreckens. Die von Pestepidemien begleiteten Kriegsereignisse zogen Verwüstungen und einen drastischen Bevölkerungseinbruch nach sich.

Ob Tilly tatsächlich in der Westerbachstraße übernachtete, steht nicht zweifelsfrei fest. Wenn man der Überlieferung glaubt, war es jedenfalls eines der prächtigsten Bauwerke in der Stadt, das er ausgewählt hatte, um nach dem siegreichen Vorstoß eine Ruhepause einzulegen. Zahnschnitt und Zierstab sind Motive des Schmucks auf den vorspringenden Schwellen und den Füllhölzern. Der Erker ist ähnlich gestaltet wie der des in wesentlichen Teilen etwa zeitgleich errichteten Rathauses und mit den antiken Musen Erato und Thalia sowie mit Engelsköpfen beschnitzt.

Wie der gesamte Adelshof in der Westerbachstraße ist auch das noch leerstehende, seiner Sanierung harrende Tilly-Haus Zeugnis der engen Beziehung zwischen Höxter und Corvey. Schriftlich fassbar wird der Komplex erstmalig 1512, als der vormalige Stadthof der Petri-Propstei von der Abtei Corvey als Leibzucht an den corveyischen Kanzler Heinrich Brinkmann übergeben wird mit der Auflage, „Hof und Steinkammer Sankt Vitus zu Ehren“ wieder herrichten zu lassen. Mit der Belehnung des corveyischen Kanzlers Georg Kramer genannt Heisterman im Jahr 1556 gelangte der Lehnshof dann für drei Jahrhunderte in Familienbesitz. 1871 verkaufte die im 17. Jahrhundert geadelte Familie Heisterman von Ziehlberg den Hof an einen Höxteraner Kaufmann.

Das Anwesen bestand ursprünglich aus vier zum Teil zusammenhängenden Häusern: dem von der Abtei Corvey für Militär- und Verwaltungsaufgaben verliehenen Lehnshof in den rückwärtigen Häusern (Nr. 35 und 37) und dem als bürgerliches Eigentum erworbenen Eigenhof (Nr. 31 und 33) mit der Front zur Westerbachstraße. Haus Nr. 31 wurde im 19. Jahrhundert ausgegliedert und verkauft.

Nachdem die beiden Gebäude Nr. 35 und 37, die heute das Forum Jacob Pins beherbergen, durch die 2008 abgeschlossene Restaurierung vor dem Verfall bewahrt und zu einem einzigartigen Kulturdenkmal ausgebaut werden konnten, soll auch das Tilly-Haus wieder mit Leben erfüllt werden und durch die Einrichtung des Forum Anja Niedringhaus eine neue Bestimmung erhalten. Dabei geht es Architektin Cornelia Lange um eine respektvolle, behutsame Instandsetzung und Modernisierung, die dem baugeschichtlichen Wert des Geschichtszeugnisses Rechnung trägt. Denkmalgerecht instandgesetzt, könnte das Tilly-Haus das Stadtbild bald um ein repräsentatives Beispiel adliger Wohnkultur bereichern und die kulturellen Angebote des Forums im Adelshof um weitere Facetten ergänzen.

Christine Longère

Zum Andenken an Anja Niedringhaus ist im Herzen von Höxter im historischen Tilly-Haus ein Forum für Fotografie entstanden. Das Gedenken gilt gleichzeitig den Opfern von Krieg und Verfolgung.

„Mit großer Sympathie habe ich zur Kenntnis genommen, dass das Tilly-Haus zu einem Ort der Begegnung des Austausches und des Andenkens an Anja Niedringhaus gestaltet werden soll. Diese Perspektive verdient jegliche Unterstützung. Die herausragenden Arbeiten, die Anja Niedringhaus in ihrem viel zu kurzen Leben vorlegen konnte, fordern geradezu eine Diskussion über Fluchtursachen und Fluchtkonsequenzen heraus. Dass dies in der aktuellen Situation in Deutschland, Europa und der Welt besonders dringlich ist, kann nur hinzugefügt werden.“

Prof. Dr. Klaus Töpfer

Förderung

Das Projekt Forum Anja Niedringhaus (FAN) wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des Programms LandKULTUR des Projektträgers Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (pt ble) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.